1.1 Was sind Extremophile?

Als extremophile Mikroorganismen („die das Extreme lieben“) werden alle Lebewesen bezeichnet, die von einer menschlichen Sicht aus betrachtet, an extreme Umweltbedingungen angepasst sind. Das können extreme Temperaturen und pH-Werte, hoher Salzgehalt oder Druck sein.

Frage
Woher stammt das Wort extremophil? - Es ist eine Kombination aus dem lateinischen Wort extremum (das Äußerste) und dem griechischen Wort philos (Freund).

In heißen, salzhaltigen, basischen oder sauren Lebensräumen können vornehmlich sogenannte Prokaryoten überleben. Das sind zelluläre Lebewesen, die keinen Zellkern besitzen, also Bakterien und Archaeen. Nur einige kalte Standorte können auch von höheren eukaryotischen Organismen (Lebewesen mit Zellkern), wie Fische und Krebse in der Tiefsee, oder Schneealgen im ewigen Eis besiedelt werden.

Leben in Heiß und Kalt

Extremophile Mikroorganismen können eine Vorliebe für extreme Temperaturbereiche besitzen. Cryophile und Psychrophile sind Lebewesen, die kalte ökologische Nischen im negativen Temperaturbereich bis zum Gefrierpunkt von Wasser (Cryophile) sowie zwischen 0°C und 20°C (Psychrophile) besiedeln. Mesophile hingegen überdauern am besten im moderaten Temperaturbereich (etwa 10-50°C). Thermophile Mikroorganismen gedeihen in Lebensräumen mit Temperaturen zwischen 45°C und 80°C und Hyperthermophile bei Temperaturen bis etwa 120°C.

Abb.: Eine heiße Quelle auf den Azoren (Portugal)

Leben im Salz

Salzliebende Mikroorgansimen werden als Halophile bezeichnet, wobei oftmals zwischen Halotoleranten (gemäßigt salzige Bedingungen) und echten Halophilen unterschieden wird. Letztere überleben selbst in nahezu gesättigten Salzlösungen, wie sie im Toten Meer vorherrschen.

Abb.: Der Mono Lake (Kalifornien,USA) ist ein alkalischer Salzsee

Leben bei hohem oder niedrigem pH Wert

Säureliebende Mikroorganismen werden als Acidophile und Laugeliebende Mikroorganismen als Alkaliphile bezeichnet. Sie benötigen also für ihr Wachstum einen niedrigen (Acidophil) oder hohen pH Wert (Alkaliphil).

Leben unter hohem Druck

Umgebungen mit hohen Drücken, wie zum Beispiel die Tiefsee, werden von den Piezophilen besiedelt. In Wassertiefen von 1000 Metern besteht ein Druck von circa 100 bar; das ist 100 Mal so viel, wie der Normaldruck auf der Erde.

Hinweis
Es wird oft von radiophilen Mikroorganismen gesprochen, welche unter hohen Dosen von ionisierender Strahlung wachsen können. Die meisten dieser Organismen tolerieren aber meist nur höhere Strahlungen und brauchen diese nicht für ihr Wachstum, sind also eigentlich radiotolerant und nicht radiophil. Für einen echten Radiophilen ist Strahlung zum Wachsen nötig.

Die besonders Extremen

Es gibt auch Mikroorganismen, die an mehrere extreme Bedingungen gleichzeitig angepasst sind – sie sind also polyextremophil. Die Tiefsee zum Beispiel, weist nicht nur extreme Kälte auf, es herrscht dort auch ein erhöhter Druck. Somit sind Mikroorganismen, die diesen Lebensraum besiedeln Polyextremophile, nämlich piezo-psychrophil.

Beispiel
Deinococcus radiodurans - „Conan das Bakterium“ Deinococcus radiodurans ist einer der bekanntesten Polyextremophilen. Er besitzt einen Eintrag im Guiness Buch der Rekorde als resistentestes Bakterium der Welt. Deshalb wurde es „Conan das Bakterium“ getauft. Es gibt sogar einige Fan-Artikel dieses Superhelden-Bakteriums zu kaufen. Es überlebt eisige Kälte aber auch große Hitze, Trockenheit, Säure und darüber hinaus kann ihn auch eine intensive Strahlung nicht töten. Bild Extremophile.png Die Menschen hatten eine solche Resistenz gegenüber extrem hohen Strahlen-Dosen nicht für möglich gehalten. Deinococcus radiodurans wurde eigentlich aus Versehen entdeckt, da er den Sterilisierungsprozess von Fleischkonserven überlebte und das Fleisch vergammelte. Dieses Super-Bakterium hat mehrere Kopien seines Genoms in der Zelle und besitzt zusätzlich noch Reparaturmechanismen, sodass er sein Erbgut reparieren kann, wenn dieses durch Strahlung zerstört wurde. In den letzten Jahren wurde intensiv an diesem Bakterium geforscht und es wurden zahlreiche Mechanismen gefunden, die dazu beitragen, dass „Conan“ so resistent ist. Natürlich bringt diese Forschung Spekulationen mit sich, ob Deinococcus radiodurans aus dem Weltall auf die Erde gereist sei, oder ob „Conan“ auf dem Mars angesiedelt werden könnte. Auf jeden Fall wäre Deinococcus radiodurans als Weltrekord-Halter der vielversprechendste Kandidat für Ausflüge ins Weltall.
Vertiefung

Pioniere der Forschung

Thomas Brock (geb. 1926) ist einer der Pioniere der Forschung an Extremophilen. Mit der Entdeckung des thermophilen Bakteriums Thermus aquaticus startete der „Run“ auf dieses Wissenschaftsgebiet. Der Mikrobiologe Brock entdeckte diesen ersten thermophilen Mikroorgansimus in heißen Quellen des Yellowstone-Nationalparks (USA). Thermus aquaticus wächst optimal bei Temperaturen um 70° C und resultierte in der Hypothese, dass Leben überall dort möglich ist, wo Wasser in löslicher Form vorliegt, selbst an heißen Quellen von mehr als 100°C in der Tiefsee. Diese Entdeckung hatte großen Einfluss auf weitere Fachgebiete, da extremophile Mikroorgansimen und ihre Biokatalysatoren vielfältige Einsatzmöglichkeiten in der Schnittstellenwissenschaft der Biotechnologie bieten.

Koki Horikoshi (1932-2016) Der japanische Professor für Mikrobiologie machte sich vor allem durch die Entdeckung der Alkaliphilen einen Namen. Sein Team befasst sich mit der Erforschung von piezophilen Mikroorganismen, die am Grund der Tiefsee leben. Horikoshi unternahm zahlreiche Forschungsreisen, um diesem extrem kalten Hochdruckterrain seine Geheimnisse zu entlocken. Er setzte sich insbesondere für das Ansehen und die Verbreitung dieses relativ jungen Fachgebiets ein und war sowohl Gründungspräsident der Japanischen und der Internationalen Vereinigung für Extremophile (ISE – International Society of Extremophiles). Außerdem rief er die alle zwei Jahre stattfindende Internationale Konferenz der Extremophilen ins Leben. Horikoshi hat außerdem das renommierte wissenschaftliche Journal Extremophiles begründet und ist Herausgeber der ersten Auflage des Standardwerkes Extremophiles Handbook, welches einen nahezu vollständigen Überblick über das gesamte Themengebiet der Extremophilen gibt.

Wolfram Zillig (1925-2005) war ein deutscher Molekularbiologe, der für seine Arbeit mit verschiedenen extremophilen Archaeen wie Sulfolobus sp. und Picrophilus sp. sowie für die Untersuchung von archaellen Viren bekannt ist. Bereits in den 1950er Jahren entwickelte Zillig die noch immer genutzte Phenol-Extraktion zur Isolation von DNA und führte als einer der ersten die Proteinbiosynthese in vitro, also außerhalb einer Zelle, mit den isolierten dafür nötigen Komponenten durch. Durch seine Arbeit über RNA-Polymerasen aus extremophilen Archaeen unterstrich Zillig die durch Carl Woese sehr populär gewordene Hypothese der drei Reiche der Bakterien, Archaeen und Eukaryoten. Zillig zeigte, dass sich RNA-Polymerasen aus Archaeen deutlich von denen der Bakterien unterscheiden und eigentlich mit den entsprechenden Proteinen aus Eukaryoten näher verwandt sind. Ferner isolierte er zahlreiche neue thermophile Archaea und nahm Proben aus der ganzen Welt. Erwähnenswert ist hier noch die Isolation der thermoazidophilen Archaeen Picrophilus torridus und Picrophilus oshimae, die bei einem pH-Wert um 0 noch überleben.

results matching ""

    No results matching ""